Frühjahrsputz Teil 1: Von der Magie des Loslassens und warum ich glaube, dass wir nicht nur unsere Kleiderschränke sondern auch unser Leben mal gehörig aufräumen sollten.
Bereits seit Monaten geistert ein Buch durch Blogs und Zeitschriften – „Magic Cleaning“. Wenn meine Mutter liest, dass ich mich freiwillig mit dem Chaos in meinen vier Wänden beschäftige oder mich gar tiefergehend mit der Kunst der Ordnung auseinandersetze, wird sie vermutlich lachen. Aufräumen gehörte bisher nicht wirklich zu meinen favorisierten Zeitvertreiben. Und doch begeistert mich der Gedanke eines ordentlichen, übersichtlichen und klar strukturierten Zuhauses ungemein. Und damit bin ich nicht alleine. Gefühlt formiert sich gerade um mich herum eine Armee der Ordnungswütigen und „Magic Cleaning“ ist ihre Bibel. Doch wie kommt es, dass wir plötzlich danach streben, unser Leben zu sortieren und in symmetrisch ausgerichtete Boxen zu verstauen, anstatt um die Häuser zu ziehen und am Morgen nach der Party nach dem letzten sauberen Glas im Spülbecken zu suchen?
Das übergeordnete Ziel des Spiels ist es, sich mit all den Dingen, die wir in unseren Schränken, Schubladen und Taschen anhäufen, auseinanderzusetzen und zu hinterfragen, welche von ihnen uns wirklich etwas bedeuten. Marie Kondo ist streng – meine Ausreden „das Kleid trage ich irgendwann bei einem besonderen Anlass“, „mit dem Pullover verbinde ich eine wirklich schöne Erinnerung“ oder „der Rock passt mir sicher im Sommer wieder“, hat sie entkräftet, bevor sie beim Lesen überhaupt zu Ende gedacht habe. Kondo fragt ganz direkt – bereitet dieser Gegenstand dir Freude? Das Hinterfragen der eigenen Gefühle zu den materiellen Dingen um sich herum führt über kurz oder lang dazu, dass man sich fragt, warum man damit nicht schon viel früher angefangen hat. Oder warum man überhaupt ständig Dinge kauft, die einem doch eigentlich nichts bedeuten. Die vielleicht für einen kurzen Augenblick dieses diebische Gefühl der schnellen Freude versprechen, deren Zweck aber genau damit bereits erfüllt ist. Die uns ansonsten nichts weiter bieten, als Füllstoff für die letzten leeren Ecken unseres Zuhauses.
Kürzlich verbrachte ich wieder einmal einen Sonntagnachmittag auf einem Flohmarkt und lies meinen Blick während einer ruhigen Minute durch die Hallen und über die Stände schweifen. All diese Dinge, die gekauft und dann doch nie genutzt wurden, all die Berge an Kleidung, die nach einmaligem Tragen als Schrankleiche enden – von der puren Menge an Überfluss fühlte ich mich fast erschlagen. Und gleichzeitig türmte sich vor mir mein eigenes Dilemma auf. Das zarte Gefühl von Hilflosigkeit, das in solchen Momenten in der Magengegend kitzelt, ist das, was uns vielleicht so empfänglich für Kondos Theorien macht und das uns so sehnsüchtig hoffen lässt, dass es mit ein klein wenig mehr Ordnung in unserem Leben vielleicht geordneter zugeht.
Insgeheim glaube ich nämlich, dass der kollektive Frühlingsputz in unseren Sockenschubladen erst der Anfang ist. Ein Zeichen dafür, dass unser Leben einfach zu voll ist, mit Dingen die uns nichts bedeuten. Personen, denen wir uns verpflichtet fühlen, ohne dass sie uns von der Energie, die wir in sie investieren etwas zurückgeben. Momente, auf die wir Ewigkeiten hinarbeiten und die ohne bleibende Erinnerungen an uns vorüberziehen. Und nicht zuletzt mit Tüten und Kisten voller Sachen, von denen wir denken, dass wir sie brauchen.